Was wäre, wenn...?

„Stell dir vor, du müsstest für ungewisse Zeit ins Ausland flüchten und könntest nur einen Koffer mitnehmen, was packst du ein?" Diese Fragestellung stand am Anfang eines spannenden Unterrichtsprojektes, mit dem die Schülerinnen und Schüler der 7a sich anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni 2014 beschäftigten.


Um den 13- bis 14-Jährigen Schülern bei der individuellen Beantwortung dieser ungewöhnlichen Frage zu helfen, war Mohammed Tahir Mughal bereitwillig einer Einladung der Klassenlehrerin A. Seyb in den Unterricht gefolgt. 70 Minuten lang stellte er sich offen allen Fragen und erzählte fesselnd von seiner sechswöchigen beschwerlichen Flucht, die ihn als 14-Jährigen aus Pakistan über Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan nach Europa führte. Hunger, Angst und die Ungewissheit waren seine ständigen Begleiter. „Erwachsene Mitflüchtlinge weinen zu sehen" oder „mit über hundert Menschen in einem Container stundenlang eingesperrt zu sein", das waren nur zwei Dinge, die während der Flucht für ihn schwer zu ertragen waren. Doch das Ziel stand fest: Deutschland, um hier die Sprache zu erlernen, die Schule zu besuchen und zu studieren. Alle diese Träume wurden Wirklichkeit. Jetzt hilft Mohammed Mughal sogar als ehrenamtlicher Vormund einem Jugendlichen aus Afrika, in Dortmund Fuß zu fassen. Dass er zu Jugendlichen sofort einen guten Draht hat, zeigte sich auch im Unterricht. Die Neugier und die Bereitschaft, sich ernsthaft mit der einleitenden Frage nach dem Flüchtlingsgepäck auseinanderzusetzen, war bei allen geweckt. Wie viel und vor allem was packe ich ein? Darauf hatte Mohammed Mughal eine ernüchternde Antwort: „Was den Inhalt des Koffers anbelangt, ist es schwierig die Gegenstände im Einzelnen aufzulisten, da es für solche Aktionen keinen Musterkoffer gibt. Du bist dir überhaupt nicht sicher, was als nächstes auf dich zukommt. Vielleicht musst du all' deine Sachen, die du eingepackt hast, irgendwann wieder loswerden, da diese plötzlich zu einer Belastung werden, wenn es z.B. gilt mit Hilfe eines Seils einen wilden Fluss zu überqueren oder durch einen engen Tunnel zu robben." Sein Rat: „Nehmt so wenig mit wie möglich, denn Dinge im Laufe der Flucht hinter sich zu lassen, kann zu einer größeren emotionalen Belastung werden als sie gar nicht erst einzupacken." Für Mohammed Mughal bedeutete dies konkret: „Mit zwei Koffern begann ich meine Flucht aus Pakistan, in Dortmund sind mir zwei Hosen, zwei Jacken und zwei Hemden geblieben. Alle diese Kleidungsstücke trug ich aus Sicherheitsgründen übereinander". Spätestens jetzt war allen Schülerinnen und Schülern der 7a klar, das war kein Spiel, das war bittere Realität, die einen Menschen getroffen hatte, der damals genauso alt war wie sie.
Am Ende des Projekttages waren sie fertig, die kleinen Notfallkoffer aus Pappmaché. Von außen sind sie so individuell wie jeder Schüler, jede Schülerin, was ihren Inhalt angeht, folgten die Jugendlichen Mohammeds Ratschlag: Eine Taschenlampe, lebenswichtige Medikamente, Trockennahrung, eine Decke, kaum Kleidung, vielleicht ein oder zwei Fotos zur Erinnerung... Was bei fast allen nicht fehlte, war das eigene Messer. Dieses hätte auch Mohammed bei seiner Flucht gut gebrauchen können, „doch nicht zur Verteidigung, sondern als Werkzeug, um leichter die Thunfischdosen zu öffnen", die teilweise über Wochen seine einzige Nahrung waren. Solche Aussagen bleiben in Erinnerung! Und die Koffer? Diese sollen am diesjährigen „Stilllebentag" der Martin-Luther-King-Gesamtschule gezeigt werden. Das am 3. Juli ab 15 Uhr auf dem Schulhof stattfindende Sommerfest bringt allen immer viel Spaß und Unterhaltung, ermöglicht aber einen nachdenklichen Rückblick auf das Schuljahr und Menschen, die dieses geprägt haben: Mohammed Tahir Mughal war für die 7a einer dieser Menschen!

Weitere Bilder sind in der Bildergalerie zu finden. 

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